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mit ansgefaserten Holzstäbclien putzen, und dass diese Prozedur an den labialen Flächen der
Zahnkronen einen Defekt hervorruft, den wir mit dem der Dellen- oder Furchenfeilung ver-
gleichen könnten.
..Untersucht man die Zähne der Eingeborenen", so lauten seine Worte, „dann findet
man häufig genug an den Schneidezähnen und Eckzähnen, besonders aber am Wurzelrand
der Krone der Backenzähne, glattpolierte horizontale Rinnen, die nicht etwa absichtlicher
Eeilung, sondern nur dem intensiven Reiben der Holzzahnbürsten ihre Entstehung verdanken." (231.)
Auch unter Europäern findet man bisweilen am Zahnhalse eigentümliche Defekte,
die mehr oder weniger tiefe Furchen bilden und durch ihre scharfkantige Beschaffenheit den
Eindruck hervorrufen, als wären sie mit einer scharfkantigen Feile eingefeilt und die Flächen
dann sorgfältig poliert. Diese Defekte finden sich nicht nur bei älteren Individuen, sondern
sind auch bei jüngeren Leuten oft genug zu beobachten.
Die Frage, mit was für einem Prozess man es hier zu tun hat, ist bisher in völlig
zufriedenstellender Weise noch nicht beantwortet worden, die Ansichten der verschiedenen
Autoren differieren ganz bedeutend.
Einige halten derartige Defekte ausnahmslos für Abschleifungsfurchen durch die
Zahnbürste und den gleichzeitigen Gebrauch scharfer Zahnpulver, die Mehrzahl aber spricht
sich gegen „die Zahnbürstentheorie" aus. indem sie die Wirkung der Zahnbürste für neben-
sächhch hält. Dieser Mehrzahl muss ich mich anschliessen, denn erstens findet man
diese Defekte bei Leuten, die augenscheinlich ihre Zähne niemals gebürstet haben, andrerseits
kommen die Usuren nicht ausschliesslich an der labialen, sondern auch an der lingualen,
mesialen und distalen Fläche vor.
Aus den Untersuchungen M. Bastyrs. die in Scheff's Handbuch der Zahnheilkunde,
Wien 1892, B. II. I.Abt, p. 134 f., veröffenthcht sind, geht nun deutlich hervor, dass die
Bürste allein nicht imstande ist, am normalen Zahnbein einen auffälligen Substanzverlust
hervorzurufen, dass man aber an Zähnen, deren faciale Fläclien dem Einfluss verdünnter Säure
ausgesetzt werden, in kurzer Zeit einzig und allein durch eine einfache Zahnbürste Defekte
erzielen kaim, die den oben beschriebenen ähnlich sind.
Die Wirkung der Säure besteht in einer oberflächlichen Erweichung der Zahngewebe,
die nun mechanischen Einflüssen gegenüber nicht mehr widerstandsfähig sind. In ähnlicher
Weise, wenn auch bei weitem nicht so stark, wirkt die Lauge des Betelhappens.
Infolge der Einwirkung von Chemikalien würde niemals ein glattpolierter Defekt
entstehen können, wenn sich nicht irgend welche mechanischen Einflüsse dazu gesellten, wie
z. B. starkes Bürsten der Zähne oder die Reibung der Weichteile, Lippen, Zunge, Wange an
den Zähnen.
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