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Wir wissen iiiiii aber, dass don .Massai (licsci- Anblick anssorordentlicli jicfällt. und
dass sie hostrobt sind, die oboron Schneidozäline, ja nianclinial den {ganzen Zwischenkiofcr,
borizontal vnrzudränf^on.
Ich möchte OS nicht niitcilass(Mi. an dicsor Stolle darauf hinzuweisen, dass die
künstliche Deformation des (iebisses und des Kieferbogens sich voinehndich bei den Völkern
findet, die einen physiolooisch projinathen Kioforbau aufweisen.
(iologontlich meiner rntersuchnngon über Korin und Stolhnifi der Kiefer der vor-
sciiiedenen Völker konnte ich diesen Zusammonhanji nachweisen, (ianz besonders scheint
mir das Aussclilagon. das Abfeilen und das N'erdränucn der Zähne ans ihrer Stellunji zur
Prognatliie in Verbindunu zu stehen, und zwai' nehme ich an. dass die.se Handlungen vielfach
vorgenommen worden in der Absicht, die Prognathie zu verhüten oder abzuschwächen oder
aber auch sie zu verstärken. Hier wird natürlich das ästhetische Empfinden eines Volkes
das Ausschlaggebende sein. Das frühzeitige Ausschlagen der Frontzähne kann als roheste. am
wenigsten milde Art der prophylaktischen Behandlung der Prognathie gelten: aber auch die
llorizontalfeilung der I'^rontzähne bis über die .Mitte d(>r Krone hinaus bleibt nicht
an denen die Zähne bis über die Hälfte der Kronen abgeschliffen waren, die unter diesem
Volke so häufig anzutreffende alveolare Prognathie des Oberkiefers, die leicht progressiv wird.
nur in sehr geringem Grade zeigten. Natürlich wird der Zeitpunkt der Bearbeitung der Zähne
hier eine grosse Rolle spielen, je frühzeitiger dieser erfolgt ist. um so weniger ])rognatli wird
der Oberkiefer sein. Wie können wir uns aber diesen Effekt der Abfeilung der Zähne erklären?
Für die Beurteilung der Bewegung der Frontzähne nach vorn und im Bogen nach oben
müssen wir folgende Tinstände ins Auge fassen: Jeder Zahn ist als einarmiger Hebel auf-
zufassen, dessen Dreh- und Unterstützungspunkt an der Wurzelspitze sich befindet. Auf den
F>ontzähnen lastet während ihrer Funktion ein Druck in der langen Achse des Zahnes und
ein Zug. der in mehi' oder niindei- hoiizontaler Richtung wiikt. Dieser letztere ist es besonders,
der (las Vordringen und die Schräglagerung der Frontzähne bedingt. Der Widerstand aber,
der sich ihm entgegensetzt, wird geleistet von der Knochenlamelle des Alveolarfortsatzes. und dieser
Widerstand wird um so leichter überwunden, je länger im Verhältnis zur Zahnwurzel die
Zahnkrone ist. je näher der Schneide der Horizontaldruck zur (Geltung kommt. Hierin liegt
das ganze Geheimnis dei' prophylaktischen Wirkung der horizontalen Abfeilung.
Was mich besonders zu der .\nnahmo verleitet hat. dass die Fällungen vielfach vor-
genommen werden, um das Vorstehen der Kiefer zu verhindern, sind die sich häufig wieder-
holenden Auslassungen der Malayen über die Gründe, die sie zur Ausführung dieser Deformation
treiben. Krcincr ("245) sagt, die Javanen hätten ihm auf die F'rage. warum sie die Zähne
feilten, zur Antwort gegeben: „Viele von uns haben ein unegales Gebiss. ein Zahn ragt oft
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