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Besonders unter den Malayen iiilt die Zalinverstiiiniiielun niittel. Recht bezeichnend dafür ist z. B. eine von Uhlc mitgeteilte malayische Sage, mit
der man die Entstehung der Sitte auf Celebes erklärt:
..Die Gemahlin eines Königs sah die Liebe ihres Gemahls auf eine jiuigere und
schönere Nebenbuhlerin abgelenkt. In der Absicht, sie zeitlebens zu verunstalten. Hess sie
ihr die Zähne feilen. Der Erfolg war der gegenteilige, ihre Schönheit um so grösser, die
Liebe ihres Gemahls um so verlorener, und so wurde es allgemeine Sitte die Zähne
zu feilen." (•24:"2.)
Die Annahme, dass für ein Volk eine Sitte, durch welche es seinen Körper ver-
unstaltet, einen ästhetischen Hintergrund hat. liegt gewiss sehr nahe. Der Wunsch, das
einförmige Aeussere des Körpers durch allerlei Putz zu verscliönern. gehört unbedingt zu den
ältesten Regungen des menschlichen Geistes: bei den Kulturvölkern erhält die Kleidung die
schmückenden Eigenschaften, während der zahlreiche und zwecklose Putz am Körper mehr
uiul mehr verschwindet, neuerdings auch die Ohrgehänge: das Schönheitsgefühl ändert sich
eben mit jeder Stufe höherer Kultur.
"Wenn bei Kulturvölkern die vollkommene menschliche Gestalt als solche zugleich das
hin liste Siluhiheitsideal tles Menschen sein muss. so ist die ^lehrzahl der Völker von dieser
Idee noch weit entfernt. Nicht nur der menschliche Körper selbst wird verunstaltet, auch
bei der Nachbildung menschlicher und tierischer Gestalten wird anfangs immer die reine
Schönheit dem Auffallenden zum Opfer gebracht.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die ästhetischen Begriffe zunächst ganz von
der Gewohnheit des Anblickes abhängen.
Ein Volk, hei dem die Sitte herrscht, die Vorderzähne auszuschlagen, wird nur sehr
langsam, vielleicht nie zu der Ueberzeugung gelangen, dass diese Verschönerungen eigentlich
grundhässlich sind, es sei denn, dass der Verkehr mit einem andern Volke es zu Ver-
gleichen zwingt.
Der Glaube, dass alh> diese Gebräuche einen rein ästhetischen Hintergrund haben,
kann aber nicht befriedigen, er hat nicht die Wahrscheinlichkeit des UrsprüugHchen für
sich \\\\(\ wild kaum genügen, als Ausgangspunkt aller übrigen, jetzt wirkenden Motive zu gelten.
Ich glaube, dass in vielen Fällen andere Ursachen vorgelegen haben, als das
blosse Streben nach Verschönerung: meist entstammen die Verbesserungen des menschlichen
Körpers rein praktischen Beweggründen oder sind durch Zufall veranlasst, wobei nicht aus-
geschlossen ist. dass wie schon oben angedeutet, sich später der Schönheitspuiikt damit
vereinigt hat.
Falsche Vorstellungen von manchen Erscheinungen, die Zweckmässigkeit, der Einfluss
der früheren Ernährung und Beschäftigung haben den Anstoss zur Entstehung dieser Sitte gegeben.