Page 80 - My FlipBook
P. 80









72

Bei den Dajaken wird die Operation bei den Frauen auch durch Frauen besorgt.
Der Tukanggigi, der durchaus kein besonderes Recht oder Ansehen infolge seines
Amtes geniesst, erhält für die Feilung nur 10— 12 Cents.
Man unterscheidet zwei Arten der Feilung resp. der Operation.
Die ursprüngliche sehr schmerzliche und nicht mehr in Anwendung kommende heisst
Bapapar und bestand in dem Abschleifen der Zähne vermittels eines Steines. Ein alter
Mann erzählte mir, dass er nach dieser Manier behandelt 8 Tage lang die Zähne nicht habe
gebrauchen können, und dass sein Gesicht dick angeschwollen war. Der Bapapar ist darum
ausser Gebrauch gekommen, weil man jetzt ohne Mühe europäische Feilen bekommen kann,
ein Werkzeug, das die hier sonst im Verhältnis gut entwickelte Eisenindustrie nur sehr
mangelhaft herstellen konnte. So bat sich mit der Einführung von europäischen, sogenannten
englischen, Feilen, eine neue Art der Zahnfeilung ausgebildet, die nun fast ausschhesslich
hier geübt wird. Man nennt sie Batatak.
Die Operation erstreckt sich nur auf die Schneide- und Eckzähne des Oberkiefers.
Zur Verdeutlichung der Operation wollen wir einen Tukanggigi bei seiner Arbeit
beobachten.
Seine Instrumente bestehen aus einer Anzahl dreikantiger Feilen. Kikir penatak, einer
dünnen quadratisch vierkantigen, Kikir pengubas und mehreren recht schartigen Tischmessern
ähnlichen Sägen hiesiger Fabrikation, Rgadji genannt. Diese Instrumente bewahrt er in
einem Bambusköcher auf, der mit dem Safte von unreifen Annanas gefüllt ist. Zum Gebrauch
schüttet er sie auf eine Schale und spült sie mit reinem Wasser ab. Derjenige, an dem die
Operation vorgenommen werden soll, legt sich auf den Rücken in der Nähe eines Pfostens im Hause
Er erhält ein flaches Kissen, Bantal, unter den Kopf. An den Pfosten wird ein rundes, cirka
8 cm dickes Holz, Kalang, mit Rottan festgebunden, so dass der Liegende ohne den Kopf
zu heben fest darauf beissen kann. Es dient dazu, die beim Feilen und Sägen hervorgebrachte
Erschütterung, so viel als möglich aufzuheben und zu verhüten, dass durch Ausgleiten der
Feile Verwundungen in der Mundhöhle vorkommen.
Der Tukang setzt sich mit gekreuzten Beinen links ans Kopfende, ergreift mit der
linken Hand die Feile — hier sei gleich bemerkt, dass mehr Leute die linke als die rechte

Hand zur Arbeit entwickelt haben — zieht mit der Rechten mittels eines Tuches die Oberlippe
soweit als möglich zurück und beginnt dann zu feilen und zwar so energisch, als ob er ein
Stück Eisen und nicht einen Menschen unter sich hätte. Dabei ruft er dem ruhig Liegenden,
der sich auch wohl die Augen zudecken lässt, wiederholt zu: „Kantip. Kantip. d. h. Beiss
zu, Beiss zu, nämlich auf den Kalang. Hat er mit der dreikantigen Feile die Zähne etwa
bis zur Hälfte, soweit es bei der Rundung bei allen sechs Zähnen zulgeich möglich, ist durchfeilt,
so wird mit dem Rgadji weiter gesägt bis auf den Kalang oder auch wohl durch Linksausbiegen
   75   76   77   78   79   80   81   82   83   84   85